Ein Leben als Schlaraffe

Ein Leben als Schlaraffe

Die Männervereinigung „Schlaraffia Glorimontana“ pflegt Kunst und Humor.

Lothar Vieler kenne ich als Moderator, als Nachtwächter und Lennper durch und durch. Doch an einem Freitagabend in der Remscheider Innenstadt lerne ich eine neue Seite an ihm kennen. Denn dann legt er sein „profanes“ Leben für mehr als zwei Stunden ab und wird zum Hofnarr Ritter Graf Gusto-Phil.

Ritterschlag
Denn Lothar Vieler ist Schlaraffe. Seine Rüstung in den „Reychsfarben“ schwarz, weiß und blau kennzeichnen ihn als einen „Ritter der Roten Rose“ – der Schlaraffia Glorimontana. Schlaraffia? Davon hatte ich vorher noch nie etwas gehört. Kein Wunder, denn das Schlaraffendasein ist nur Männern vorbehalten – weltweit. 1859 wurde die Vereinigung in Prag von deutschen Künstlern gegründet, in der Männer Kunst, Humor und Freundschaft pflegen. „In arte voluptas“ (In der Kunst liegt das Vergnügen) lautet der Leitspruch der Schlaraffen, die sich im Übrigen weltweit auf Deutsch verständigen.

Davon durfte ich mich bei einer Sippung – so heißt das wöchentliche Zusammentreffen von Oktober bis April – in der „Stahlburg“ an der Elberfelder Straße selbst überzeugen – ausnahmsweise auch als Frau. Ob ich jedoch das einzige weibliche Wesen an diesem Abend gewesen bin, ist strittig. Der Uhu, das Tier der Weisheit, ist das Symbol der Schlaraffen. Vor ihm verneigen sich die Schlaraffen beim Betreten des ritterlich eingerichteten Vereinslokals mit gekreuzten Armen, um das normale Leben abzulegen. Er soll der Sage nach weiblich sein. Doch belegt ist das nicht.

Damit ich an diesem Abend nicht ganz den Faden verliere, steht mir Junkermeister Ritter Fix-Focus zur Seite. Er betreut die Anwärter der Schlaraffia, Knappen und Junker, die einmal zum Ritter geschlagen werden wollen. Dafür gibt es eigens die Junkertafel, an der auch ich Platz nehme. „Es ist eine Art Ritterspiel, das wir hier betreiben“, klärt mich Ritter Fix-Focus auf.

Er ist Schlaraffe in dritter Generation. Schon sein Großvater gehörte zur Schlaraffia Glorimontana. „Man muss ein Typ dafür sein, kunstsinnig und humorvoll, denn man muss über sich selbst lachen können.“ Alles passiert mit einem humorvollen Augenzwinkern, jedoch nach einem festgelegten Zeremoniell. Themen wie Religion, Politik oder Beruf sind tabu. Auch auf Etikette legen die Schlaraffen Wert. Dass ich nicht mit Sakko und Krawatte gekleidet erschienen bin, sieht man mir wohlwollend nach.

Jede Sippung besteht aus zwei Teilen. Zuerst erfolgt die „Ambtshandlungen“, die feierliche Eröffnung. Dazu zählt auch die Begrüßung der „Sassen“ (Mitglieder) anderer Reyche, durch den Oberschlaraffen. Dazu „reiten“ Sassen sozusagen durch den Rittergang ein, der durch hochgehaltene Schwerter gebildet wird. Dadurch entsteht tatsächlich ein wenig ein mittelalterliches Gefühl.

Außerdem werden die Protokolle der letzten Sitzung vorgelesen. Immer wieder wird der Ablauf durch humorvolle Wortbeiträge und gekonnte Spitzen unterbrochen. In der „Schmuspause“ wird gegessen, bevor es dann mit dem zweiten Teil weitergeht: die „Feschung“. Wer will, kann sich in die Fechsungsliste eintragen und zum Thema des Abends an der Rostra (Rednerpult) etwas in Prosa oder Reim vortragen. Das kann entweder etwas Selbst- oder Fremdverfasstes sein. Es sollte jedoch nicht länger als drei Minuten dauern. Gesungen wird auch gerne bei den Schlaraffen zu Beginn und am Ende. Das schafft ein schönes Gemeinschaftsgefühl.

„Hier kann man so schön Kind sein“, sagt Lothar Vieler, der schon seit über 20 Jahren Schlaraffe ist. In seinem Beruf ist er viel gereist und hat dadurch viele Sippungen anderer Reyche besucht. „Man quält sich vorher die Treppe runter und hüpft sie nachher beschwingt wieder rauf“, merkt der zweite Hofnarr Ritter Graf Hirsebrey mit einem breiten Grinsen an. Den Eindruck habe auch ich ein wenig.

Zu besonderen Anlässen sind Frauen als Burgfrauen willkommen, etwa bei der großen 2500. Jubiläumssippung am 14. März im Schützenhaus. Infos unter www.glorimontana.de

Bildquellen

  • Zu Beginn der Sippung reiten die Gäste durch den Rittergang ein.: Foto: Anna Mazzalupi

One thought on “Ein Leben als Schlaraffe

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert