Dorf ohne Pädiater?

Dorf ohne Pädiater?
Die letzte Kinderarztpraxis in Lüttringhausen wird voraussichtlich Ende 2020 geschlossen. Die Suche nach einem Praxisnachfolger ist ein Problem in der Medizin.

Die Nachricht hat bei vielen Eltern für Bestürzung gesorgt: Die letzte Kinderarztpraxis in Lüttringhausen schließt voraussichtlich Ende des Jahres. Damit würde ein großes Loch in der medizinischen Versorgung entstehen und die schnelle sowie vertrauensvolle Behandlung kleiner Patienten erschweren. Denn die übrigen Pädiater, insgesamt zehn in ganz Remscheid, sind jetzt schon hoffnungslos überfüllt und müssen neue Patienten abweisen.

Zukunft: Gemeinschaftspraxis
Die Sorge vieler Eltern ist es, dann lange Wege, etwa zum Sana-Klinikum oder nach Wuppertal, auf sich nehmen zu müssen. Gerade für jene ohne Auto ist das ein Problem. Schnell haben sich über die Sozialen Medien besorgte Eltern zusammengefunden, die für den Erhalt der Praxis kämpfen wollen. Auch die Politik ist darüber auf das Problem aufmerksam geworden und hat Hilfe zugesichert. Aktuell gehört die Praxis an der Richthofenstraße als Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) zum Diakonischen Werk Bethanien in Solingen, das eigentlich auf Lungenheilkunde spezialisiert ist. Betrieben wird die Praxis durch die angestellte Ärztin Agata Jolanta Sadowy. Allerdings nur in Teilzeit – das ist auf Dauer keine Lösung. Bereits seit zweieinhalb Jahren, das letzte halbe Jahr intensiv, suche Bethanien-Geschäftsführer Eckhard Rieger nach eigenen Angaben nach einem geeigneten Mediziner, der das Team komplettiert oder als Nachfolger die Kinderarztpraxis übernimmt – bisher erfolglos.

Einen letzten „Hoffnungsschimmer“ gebe es noch: Anfang kommender Woche findet ein Gespräch mit einem Interessenten statt. Das Ergebnis sei noch offen. Fest stehe, dass Bethanien das MVZ wirtschaftlich nicht mehr tragen kann, erklärt Rieger. Der wirtschaftliche Faktor und das damit verbundene Risiko schrecke viele Mediziner vom Schritt in die Selbstständigkeit ab, weiß Gesundheitsamtsleiter Dr. Frank Neveling. Bei einem längeren Ausfall, etwa durch eine ernstere Erkrankung, stehen selbstständige Ärzte oft vor dem Ruin. Das erschwere die Nachfolgersuche, etwa im Bereich der Hausärzte oder Psychologen, obwohl der Bedarf da ist. Das Problem wird wohl noch größer werden: Viele der aktuell praktizierenden Ärzte sind über 55 Jahre alt und gehen in den kommenden Jahren in den Ruhestand. Mit der Kampagne „Komm Doc nach Remscheid“ wird schon seit einigen Jahren versucht, vor allem junge Mediziner nach Remscheid zu locken. Etwa vier Stellen konnten auf diese Weise bisher besetzt werden, erklärt Neveling. „Wir stehen im knallharten Wettkampf mit anderen Städten“, betont er. Ärztemangel herrscht nicht nur in Remscheid, sondern fast überall.

Es spielt aber noch ein weiterer Punkt eine wesentliche Rolle: Rund Zweidrittel der Medizinstudenten sind weiblich. „Aber nur 40 Prozent arbeiten später in Vollzeit“, erklärt Allgemeinmedizinerin Bettina Stiel-Reifenrath, Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Remscheid. Frauen wollen oft Beruf und Familie unter einen Hut bekommen. Eine Anstellung in einer Klinik mit festen Arbeitszeiten und ohne finanzielles Risiko sei für sie attraktiver. Ein Lösungsansatz: Gemeinschaftspraxen. Stiel-Reifenrath, selbst Teil einer Gemeinschaftspraxis in Lennep, sieht darin die Zukunft. Die Bildung sei aber nicht immer einfach. Auch die Bürokratie sei für viele abschreckend. „Von der Kassenärztlichen Vereinigung kämpfen wir schon lange für weniger Bürokratie.“

Die Nachricht der drohenden Kinderarztpraxis-Schließung in Lüttringhausen habe Frank Neveling nicht erfreut. In den letzten zwölf Monaten haben sich häufig Eltern ans Gesundheitsamt gewandt, weil sie keinen Kinderarzt finden. Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz hat die Nachricht während seines Urlaubs erreicht. Gemeinsam mit Gesundheitsamt und Kassenärztlicher Vereinigung versucht die Stadt, die Schließung abzuwenden. In den nächsten Tagen sollen weitere Gespräche mit möglichen Partnern stattfinden. „Die Infrastruktur ist gut, die Mieten günstig und es gibt 15.000 Kinder. Das macht den Standort attraktiv für Mediziner“, findet der OB.

Bildquellen

  • Eltern, Stadt und Kassenärztliche Vereinigung kämpfen für den Erhalt der Kinderarztpraxis.: Foto: Segovia

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