Work-Life-Balance ohne „Work“

Work-Life-Balance ohne „Work“

Nach 40 Jahren in Diensten der Stadt Remscheid wechselt Brigitte Scheid in den Ruhestand. Als Lektüre hat sich die langjährige Leiterin der Stadtteilbibliothek Lüttringhausen mit Thomas Manns „Der Zauberberg“ einen Klassiker vorgenommen.

VON STEFANIE BONA

20 Jahre lang war Brigitte Scheid das Gesicht der Stadtteilbibliothek Lüttringhausen. Sie hat beraten und organisiert, bei Klein und Groß Lesefreude geweckt, neue Medien eingeführt, Bewährtes bewahrt und sich Neuerungen gegenüber stets aufgeschlossen gezeigt. Und sie hat gekämpft. Als die Bücherei in der Gertenbachstraße aus Kostengründen vor der Schließung stand, hat sie die Gründung des Fördervereins „Die Lütteraten“ konstruktiv begleitet und die Zusammenarbeit gefördert. „Ich freue mich sehr über das anhaltende Engagement des Vereins“, bekräftigt die Diplom-Bibliothekarin, die am vergangenen Freitag ihren letzten Arbeitstag zwischen den vielen Romanen, Sach- und Kinderbüchern und neuen Medien hatte. Ihre nächste Lebensphase soll in der nun begonnenen Altersteilzeit ihrer Familie, mehr Freizeit, dem Radfahren und dem Reisen gehören. „Ich wünsche mir mehr Work-Life-Balance ohne ´Work` und ganz viel Me-Time“, greift die 63-Jährige lachend und etwas abgewandelt den Zeitgeist auf.

Konstante Ausleihzahlen

Zunächst arbeitete die heute in Hückeswagen lebende Büchereileiterin in verschiedenen Abteilungen der Zentralbibliothek in Remscheid, bevor sie 2004 nach Lüttringhausen wechselte. Der enge Kontakt mit den Leserinnen und Lesern, die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und den vielen ehrenamtlichen Kräften, die die Lütteraten nach wie vor für das Büchereiwesen begeistern können, hätten ihr stets Freude bereitet. Nicht zuletzt die Anerkennung der „Lütterkuser“ für ihre Arbeit, deren Freundlichkeit und Dankbarkeit sei ihr – gerade nach den anstrengenden Corona-Jahren – einmal mehr bewusst geworden. Schon früh wusste Brigitte Scheid um die Bedeutung des Marketings – auch für eine öffentliche Einrichtung. Sie präsentierte das Büchereiangebot beim Lüttringhauser Weihnachtsmarkt und auch beim „Lüttringhauser Frühling“, mit dem sich seinerzeit Einzelhandel, Handwerk und Dienstleister gemeinsam einer größeren Öffentlichkeit präsentierten. Diese Initiativen wurden später an der Seite der „Lütteraten“ noch intensivert. „Mal raus aus der Bibliothek“ zu gehen, seien die richtigen Schritte gewesen, um die Stadtteilbücherei und ihre Bedeutung sichtbar zu machen. „Die Lüttringhauser stehen zu ihrer Bücherei und kommen gerne hierher“, ist sie überzeugt. Die konstant stabilen Ausleihzahlen sprechen für sich. Rund 45.000 Bücher und Medien werden pro Jahr hier ausgeliehen, rund die Hälfte davon fällt auf die Angebote für Kinder. Dass in diesem Bereich der Bücherei stets eine spannende Auswahl – auch für kleine Lesemuffel – vorgehalten wird, war Brigitte Scheid stets wichtig. Doch betont sie ebenso: „Die Lesekompetenz hängt entscheidend von den Eltern ab.“ Alleine Vorlesen bereits im Kleinkindalter schaffe dafür die besten Grundlagen. Selbst vom Fach ist und bleibt Brigitte Scheid eine Leseratte. Im Ruhestand habe sie sich erneut die „Klassiker“ vorgenommen. Thomas Manns „Der Zauberberg“ stehe dabei ganz oben auf ihrer Liste. Vielleicht begleitet sie der Roman dann auch auf der nächsten Fernreise. Nach Tansania wird Brigitte Scheid gemeinsam mit ihrem Mann bald reisen. Und wenn hoffentlich in absehbarer Zeit die Lüttringhauser Stadtteilbibliothek in der umgebauten alten Feuerwache eröffnet wird, werde sie bestimmt bald zu Besuch kommen. „Der Umzug ist der richtige Schritt. Ein toller Ort mit Außenwirkung und Aufenthaltsqualität“, ist sie überzeugt.

Gut zu wissen
Umzug gefährdet?
Beim Kottenbutter-Essen des Lüttringhauser Heimatbunds bekräftigte Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz, dass sich die Stadt mit Nachdruck für die alte Feuerwache als neuen Standort der Stadtteilbibliothek Lüttringhausen einsetzen werde. Wie berichtet, blickt man in der Stadtverwaltung mit etwas Sorge nach Berlin, wo die Bundesregierung 17 Milliarden Euro im neuen Haushalt einsparen muss. Somit könnten die zugesagten Fördergelder auf dem Prüfstand stehen. Zwar liege der Förderbescheid für die Büchereiverlagerung noch nicht vor, dennoch dürfe man den Bauantrag bereits stellen, ohne dass dies „förderschädlich“ sei, so der OB. So forderte Mast-Weisz auch die anwesenden Bundestagsabgeordneten auf, sich für das Projekt stark zu machen.