Rudolf-Steiner-Schule: „Die Welle“ – erschreckend aktuell

Rudolf-Steiner-Schule: „Die Welle“ – erschreckend aktuell

Ein gängiger Rhythmus, ein einschlägiger Slogan und das Gefühl, wirklich eine Gemeinschaft zu sein – mehr braucht es nicht, um Teil des autoritären Systems zu werden. Es ist beängstigend und faszinierend zugleich, wie schnell ein Mensch beeinflusst und in den Sog gezogen werden kann. Und auch die Parallelen zu aktuellen Ereignissen sind erschreckend. Die Bezüge zum zeitgenössischen politischen Geschehen und der Rechtsruck standen im Mittelpunkt der Interpretation vom Stück „Die Welle“, die am Wochenende in gleich zwei Aufführungen in der Waldorfschule präsentiert wurde.

Wahre Begebenheit

Bereits zum zweiten Mal entschied sich ein elfter Jahrgang der Rudolf-Steiner-Schule, die Geschichte über ein reales Experiment aus einer Amerikanischen High School zur Entstehung einer Holocaust-Mentalität auf die Bühne zu bringen. Die Fassung, die sich an dem gleichnamigen, 1981 erschienenen Roman von Morton Rhue orientiert, stammt von Lehrer Axel Ziemke. Und das Ergebnis des Experiments, das der Geschichtslehrer Ron Jones 1969 an seiner Schule in Palo Alto durchführte, stimmt nach wie vor nachdenklich.

 

Zum Inhalt: Der Geschichtslehrer Ben Ross (Daniel Platte / Jonas Hallen) spricht mit seinen Schülern über den Zweiten Weltkrieg, zeigt ihnen erschütternde Bilder, die in den Konzentrationslagern entstanden (auf der Bühne zu sehen auf einem großen Monitor aus vier TV-Bildschirmen). Die Bilder bedrücken die Jugendlichen. Sie können allerdings nicht verstehen, warum sich die Menschen im „Nazi-Deutschland“ darauf einließen. Sie sind fest davon überzeugt, dass ihnen so etwas nicht passieren könnte. Die Diskussion und die Fragen seiner Schüler beschäftigen den Pädagogen, sodass er sich entschließt, das Experiment „Welle“ durchzuführen.

Zunächst führt er in der Klasse einige autoritäre Regeln ein. „Stärke durch Disziplin“ lautet das neue Credo, dem die Klasse erstaunlich schnell folgt. „Stärke durch Gemeinschaft“ ist der nächste Schritt. Der Name „Die Welle“ und das dazugehörige Begrüßungszeichen entstehen.

Die Schüler sind schnell zu begeistern. Vor allem Außenseiter Robert (Jacques Lau / Sebastian Preker) blüht in dieser Gemeinschaft auf. Fast schon fassungslos muss das Publikum dabei zusehen, wie folgsam und fast unbedarft sich immer mehr Schüler der Bewegung anschließen und Nichtwillige ausgegrenzt und angegangen werden. Doch bei Laurie (Paula Schuhmacher / Pearly Schulte) weicht die anfänglich Begeisterung schnell der Skepsis. Gemeinsam mit David (Lennart Pafel / Noah Salamon) überzeugt sie den Geschichtslehrer, das Experiment beenden zu müssen, nachdem ein jüdischer Schüler durch Welle-Mitglieder angegriffen wurde.

Ben Ross schließt das Projekt, indem er den Schülern bei einer Kundgebung den „Führer“ der Welle präsentiert: Auf den Bildschirmen laufen Szenen von Adolf Hitler. Die Schüler sind geschockt darüber, wie leicht sie sich haben manipulieren lassen. Wortlos löst sich die Versammlung auf. Nur Robert bleibt alleine zurück. Im Hintergrund läuft ein Video über einen Pegida-Marsch.

Nachhaltig berührt

Die Einbindung moderner nationaler Bewegungen wie Pegida oder auch die Anspielung auf den US-Präsidenten Donald Trump (America first) ist dem Jahrgang gut gelungen und verdeutlicht mit Gänsehauteffekt, wie hoch die Aktualität des Stückes ist. Auch die Wichtigkeit der Individualität wird durch die Interpretation betont. Die Darsteller bei der Premiere haben ihre Sache auf der Bühne gut gemacht, auch wenn man ihnen die Nervosität angesichts der vollen Aula am Anfang anmerkte. Noch etwas steif wirkten die Dialoge in der ersten Hälfte. Im zweiten Teil wurde die Darbietung jedoch flüssiger, die Emotionen wurden gut transportiert, sodass die Aufführung das Publikum wohl auch nachhaltig berührte.

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