Betrachtung eines Dorfes
Der 20-jährige Benjamin von Keisenberg ist in Argentinien geboren und studiert in Buenos Aires „Digitale und interaktive Kommunikation“. Seine Familie väterlicherseits stammt aus Lüttringhausen. Als er vor wenigen Jahren seine Sommerferien nutzte, um seine Großmutter zu Weihnachten im Dorf zu besuchen, nahm der junge Mann viele Eindrücke aus der bergischen Heimat mit und fasste für ein Schulprojekt seine Gedanken in Worte.
Von Benjamin von Keisenberg
Ich sitze auf der Terrasse meines Hauses und schließe meine Augen. Der Frühlingswind liebkost mein Gesicht, während ich an das kleine Dorf in Deutschland denke, in dem meine Oma wohnt.
Genau wie sie haben schon ihre Eltern und ihre Großeltern dort gelebt. (Ich könnte alle Generationen meiner Familie aufzählen, denn alle haben dort gewohnt, aber das würde den Rahmen dieser Dorfbeschreibung überschreiten.)
Ich denke an das kleine Lüttringhausen, an seine Häuser, seine engen Gassen, und das entlockt mir ein Lächeln. Wer mich so sieht, würde sich wundern, wenn ich ihm erzählen würde, dass der Grund für meinen Gesichtsausdruck eine kleine Stadt oder besser gesagt, ein kleines Dorf ist.
Die Mehrzahl der Häuser ist Jahrhunderte alt, obwohl ihr guter Zustand sie viel zeitnäher erscheinen lässt.
Vor jedem Hauseingang gibt es eine niedrige, graue Steinstufe, oft etwas vermodert und an den Seiten leicht vermoost. Manchmal führen einige, oft aber nur eine Stufe, hinauf zur Haustüre. Sie scheinen stolz darauf zu sein, denjenigen zu erheben, der das Haus betritt. Die weißen Türen und Fensterrahmen und die grünen Schlagläden an den Fenstern, die abends geschlossen werden, bilden einen wunderschönen Kontrast zu den Fassaden. Diese sind mit dunklen Schiefern beschlagen. Die oben genannten drei Farben sind typisch für die Region, für das „Bergische Land“. Sie sind auch als „bergischer Dreiklang“ bekannt. Kurz zusammengefasst könnte man diese Farbkombination von Schwarz, Weiß, Grün auch als „Bergische Dreiheit“ bezeichnen.
Dagegen wirken die modernen Häuser des Dorfes quadratisch oder ihrer viereckigen Bauweise eher eintönig und langweilig und stören die Harmonie der hübschen Schieferhäuser, die überwiegend der älteren Zeitepoche angehören. Hier sieht man ein Beispiel dafür, dass das Neue nicht immer schöner ist als das Alte. Wenn es nicht gerade in der Mittagsstunde, und damit in der Zeit der geschlossenen Geschäfte ist, bevölkern zahlreiche Passanten die ordentlichen und sauberen Bürgersteige, die beiderseits der Sträßchen an allen Häuserfronten entlangführen.
Zwischen diesen Bürgersteigen führen enge Straßen und Gässchen durch das ganze Dorf. Sie sind überwiegend sorgfältig gepflastert. Typisch für sie sind viele Kurven und Biegungen, rechtwinkelige Abzweigungen gibt es so gut wie gar nicht. In ihrer Gesamtheit fallen die Rundungen ins Auge und ihr zum Teil beachtliches Gefälle. Manche Straßen sind sogar richtig steil.
Wenn es etwas gibt, das die Schönheit des Dorfes beeinträchtigt, so ist es das schlechte, winterliche Klima. Ab November bis zum Winterende im Februar erlebt das Dorf einen „winterlichen Kampf“ gegen Regen und Wind, Schneeregen und Schneematsch. Letzterer lagert sich an und auf den Bürgersteigen ab.
Aber auch dieses Wetter hält etwas Gastliches für die Bewohner bereit, wenn sie sich denn trauen, bei diesem Wetter im Dorf spazieren zu gehen. Denn der Winter fällt in die Weihnachtszeit. Da gibt Lüttringhausen seinen Bewohnern und Gästen so viel Freude und Wärme, dass diese weihnachtliche Stimmung die stechende Kälte und die feuchtnasse Kleidung vergessen lässt. Das Wetter kann dem Treiben auf der Straße nichts mehr anhaben. In der Weihnachtszeit füllen sich die Bürgersteige und Plätze mit Menschen. An den Weihnachtsständen essen die Kinder heiße Maronen, und die Erwachsenen trinken den wärmenden Glühwein. Durch die Straßen zieht ein wunderbarer Geruch nach weihnachtlichen Backwaren und Zuckerwatte. Die Menschen sind fröhlich, und man spürt ihre große Vorfreude auf Weihnachten.
Um aber einfach zu behaupten, meine positive Wahrnehmung und Beschreibung dieses Dorfes hänge damit zusammen, dass ich dort mit meiner Familie so eine wunderschöne Zeit verbracht hätte, wäre eine Lüge und würde meinen Ausführungen nicht gerecht. Diese gemeinsam verbrachte Zeit hat bei mir tiefe Eindrücke hinterlassen. Aber nichtsdestotrotz bin ich überzeugt, dass ein Fremder, der als Besucher nach Lüttringhausen käme, meine Meinung teilen würde, dass diese Beschreibung dem Dorf in jeder Beziehung gerecht wird.
Bildquellen
- : Benjamin wurde in Argentinien geboren. Seine Familie ist aus Lüttringhausen. Foto: privat