150 Jahre Verkehrs- und Förderverein
Im Interview spricht der Vorsitzende Klaus Kreutzer über Herausforderungen und Veränderungen in Lennep.
Herr Kreutzer, der Verkehrs- und Förderverein hat am Wochenende sein 150-jähriges Jubiläum in der Klosterkirche gefeiert. Was hat der Verein über die vielen Jahre für Lennep geleistet, und worauf sind Sie als Vorsitzender besonders stolz?
Kreutzer: Von 1869 bis 2019 sind 150 Jahre – und das alles aufzuzählen, was der Verein von der Gründung an bis heute getan hat, wäre ein Buch und zu umfangreich. Aber es gibt natürlich Highlights: Schon 1870, also ein Jahr nach Gründung, haben die Väter des Verkehrs- und Verschönerungsvereins, wie er damals noch hieß, über eine Festhalle in Lennep nachgedacht, weil die vorhandenen Lokalitäten zu klein waren. Und da wurde auch schon ein Ort ausgesucht, nämlich am Schützenfeld, jenseits der Knusthöhe, an exponierter Stelle mit Ausblick weit nach Lüttringhausen – und bei schönem Wetter vielleicht sogar bis nach Wuppertal. Letztendlich ist es daran gescheitert, dass schon damals die notwendigen finanziellen Mittel nicht aufgebracht werden konnten. Aber der Verkehrs- und Förderverein setzt sich ja in der heutigen Zeit, 150 Jahre später, erneut dafür ein, dass Gesamt-Remscheid eine vernünftige Veranstaltungshalle bekommt. Um einen Sprung in die heutige Zeit zu machen, gibt es ganz viele Aktivitäten, die wir vorantreiben. Mit dem Osterfeuer, dem Mittelaltermarkt, dem Rosenfest, dem Oktoberfest und dem Martinszug sowie der Gedenkstunde zum Volkstrauertag bilden wir für die gesamte Bevölkerung Veranstaltungen ab, wo sich jeder zu Hause fühlt und gerne mitmacht.
Wie sehen die Aufgaben des Vereins in Zukunft aus? Welchen Herausforderungen werden Sie sich stellen müssen?
Kreutzer: Als Bürgerverein hören wir natürlich ganz genau zu, was die Bürger möchten. Wir klopfen bei Politik und Verwaltung an, um die Sachen, die für unseren Ortsteil Lennep wichtig sind und vorangebracht werden müssen, auch bei der Politik durchzusetzen. Und wir haben da überwiegend ein sehr positives Standing, uns wird zugehört, und wir werden als Partner akzeptiert. Das macht uns stolz, und das sagt auch etwas über den Verein aus und die Substanz, die der Verein entwickelt hat.
Apropos Politik: Man kennt Sie als eingefleischten Lenneper und als jemanden, der kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn es darum geht, Missstände anzuprangern. Was sind aktuell die Probleme in der Röntgenstadt? Wo sehen Sie akuten Handlungsbedarf?
Kreutzer: Lennep ist seit längerem auf sich allein gestellt. Das sogenannte Stadtmarketing findet unter den derzeit Verantwortlichen nur in Remscheid und für Remscheid (Mitte) statt. Im Remscheider Rathaus scheint die Auffassung vorzuherrschen: Lennep, und auch Lüttringhausen, haben so eine große Vielfalt an Vereinen mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Ausrichtungen, die sollen das mal alleine machen. Das Stadtmarketing kopiert, ja es fördert Veranstaltungen in Remscheid, die den Ursprung andernorts haben. So eine Art von Kopien ist mir nur von den Chinesen bekannt.
In Lennep gibt es seit geraumer Zeit vermehrt Baustellen: Zuerst Hertie, danach Trecknase, jetzt die Rader/Ringstraße. Demnächst vielleicht auch das DOC. Wie beurteilen Sie die Entwicklung Lenneps in den vergangenen Monaten?
Kreutzer: Die TBR hat das Baustellenmangement für mich erstaunlich gut im Griff. Dort wird sehr gut gearbeitet. Unter Michael Zirngiebl läuft der Informationsfluss sehr gut – Respekt. Und irgendwann ist ja auch die „Bauerei“ einmal zu Ende. Die Trecknase läuft doch viel, viel besser als vorher.
Was halten Sie von der Kritik der Einzelhändler, dass diese Baustellensituation zum Aussterben der Altstadt beiträgt?
Kreutzer: Zunächst: Mir gefallen Begriffe wie Altstadt und Neustadt nicht. Was den historischen Stadtkern betrifft, verzeichnen wir seit Jahren einen schleichenden Kaufkraftverlust. Dabei spielt der Internethandel in der jüngsten Vergangenheit und erst Recht in der Zukunft eine immer größere Rolle. Der Handel muss sich etwas einfallen lassen. Auch als Vorsitzender des Handelsverbandes für die Bergische Region arbeiten wir an Konzepten. Ein Beispiel war die Aktion Heimatshoppen.
Veränderungen sind in der Altstadt ja bereits zu beobachten: Einzelhändler schließen ihre Geschäfte, während sich verstärkt Dienstleister von Gastronomie und Kultur für die Altstadt interessieren. Wie glauben Sie, wird sich die Altstadt entwickeln und welche Bedeutung wird sie einnehmen, wenn das DOC steht?
Kreutzer: Lennep muss aufpassen, dass es nicht zu einer riesigen Theke verödet. Der Handel kann ohne die Stadt, die Stadt funktioniert aber nicht ohne den Handel. Das DOC alleine wird Lennep nicht retten, es kann allenfalls die Frequenz erhöhen. Hier müssen wir aber geschickt Stopper einbauen, die die Besucher hier halten. Es wird ja auch in dieser Hinsicht investiert, siehe Berliner Hof. Wir haben Leuchttürme, die weit über die Stadt hinaus strahlen: Röntgen-Museum, H2O, Tuchmuseum, viel Wald, Wasser, Klosterkirche, Kleinkunst, Rotationstheater und und und. Das alles muss vermarktet werden.
Kürzlich mussten Sie als Vorsitzender anlässlich des 150-jährigen Jubiläums des Vereins eine herbe Niederlage einstecken, weil Sie keine geeignete Veranstaltungsfläche für 20.000 Besucher gefunden haben. Mit dem Oktoberfest haben Sie sich ja mittlerweile auf der Robert-Schumacher-Straße arrangiert, müssen aber an zwei Tagen feiern, weil Sie der Nachfrage sonst nicht gerecht werden könnten. Auch das Weinfest in der Altstadt stößt mittlerweile an seine Grenzen. Braucht Lennep Ihrer Meinung nach also auf lange Sicht einen solch großen Veranstaltungsort, oder sollte es sich seinen Charme im Kleinen bewahren?
Kreutzer: Die Open-Air-Veranstaltung habe ich noch nicht völlig abgehakt. OB Mast-Weisz hat mir angeboten, den Schützenplatz in Remscheid dafür zu nutzen. Für ein Jubiläum eines Traditionsvereins passte es in 2019 aber nicht. Das wollten wir schon in Lennep feiern. Jedenfalls die Gespräche mit dem WDR, der das alles übertragen wollte, sind noch nicht abgerissen. Mit dem Oktoberfest ist es weniger ein Arrangement von uns als die einzige Möglichkeit in Lennep, ein Fest in dieser Größe zu feiern. Achtung! Es sind Ehrenamtler, die das auf die Beine stellen. Fragen Sie mal in Wermelskirchen, wer dort eine Kirmes organisiert, fragen Sie mal Münchens Oberbürgermeister, wer dort ein Oktoberfest veranstaltet. Fast jedes Dorf im Sauerland hat ein Veranstaltungs- oder Bürgerhaus, wir haben nicht einmal einen Platz zum Feiern – schlimm ist das. Dem Marketingexperten im Rathaus ist offensichtlich unklar, wie viel Potential von auswärtigen Besuchern kommt, wenn sie Feste in Lennep besuchen.
Im Sommer haben Sie kritisiert, dass dem Ehrenamt nicht mehr genügend Respekt gezollt werde und dass Vereine sich auflösen müssten, „weil sie nur noch aus Silberlocken bestehen“. Offenbar ist auch der Verkehrs- und Förderverein davon betroffen. Gibt es Ideen, wie Sie den Nachwuchs stärker für die Vereinsarbeit begeistern wollen und wie der Verkehrs- und Förderverein in die Zukunft getragen werden kann?
Kreutzer: Es ist der Zeitgeist, dass wir Mitgliedschaften nur für eine bestimmte Zeit eingehen. Das soll sogar für den Bund der Ehe gelten. Egal ob Silberlocke, Blond- oder Schwarzkopf, egal ob Jung oder Alt, Frau, Mann oder Gender, wir heißen alle willkommen, die Lennep mögen und hier etwas bewegen wollen.
Ein Blick in die Zukunft: Was wünschen Sie sich für Lennep?
Kreutzer: Zufriedene, glückliche, erfolgreiche und immer besonnen denkende, engagierte Bürger.
Das Interview führte
Cristina Segovia-Buendía
Bildquellen
- Klaus Kreutzer, Vorsitzender des Verkehrs- und Fördervereins, hat das Oktoberfest für 2020 abgesagt.: Foto: Anna Mazzalupi