Ist ein schöner Anstrich gut genug?

Aus dem Leben des Gelehrten Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769) berichtet Heinz Schäfer folgende Anekdote.

Eine Gräfin wollte den allseits gebildeten jungen Mann als Hauslehrer für ihren Sohn gewinnen. Doch sie hatte genaue Vorstellungen davon, wie die Erziehung ihres Kindes auszusehen hatte. „Machen Sie aus meinem Sohn keinen gelehrten Pedanten!“, so ermahnte sie ihn. „Ich verlange nichts als einen leichten Anstrich von Sprachen, Geographie, Geschichte, Mathematik und Chemie. Und machen Sie aus meinem Sohn um Himmels Willen keinen ständig betenden Christen. Es genügt mir vollkommen, wenn er die Zehn Gebote und den Katechismus lernt und sonntags in die Kirche geht. Ich verlange von allem nur den richtigen Anstrich!“ Christian Fürchtegott Gellert soll auf dieses Anliegen geantwortet haben: „Wenn das Ihr Vorhaben ist, Gräfin, dann darf ich untertänigst raten: Nehmen Sie lieber einen Anstreicher!“

Kenntnisse und Fähigkeiten sind nicht wie eine hübsche Fassade auf einen Menschen aufzutragen. Sie prägen ihn und seine Persönlichkeit von innen heraus. Wer komplexe Zusammenhänge in dieser Welt begriffen und manchmal auch bestaunt hat, wird umsichtiger mit seiner Umwelt umgehen. Wer die Aus-Bildung zur Erzieherin, zum Elektriker oder zur Ärztin durchlaufen hat, hat gelernt, Verantwortung zu übernehmen, die Spuren in seinem Charakter hinterlässt.

Formt jede Art der „Bildung“ den gesamten Menschen, so gilt dies besonders für den Glauben.

Wer darauf vertraut, dass er im Leben und im Sterben von Gott bejaht ist und dass sein Leben Sinn und Auftrag hat, wird von diesem Glauben verändert. „Er ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit“, so formuliert es Psalm 1.

Wenn ein schöner Anstrich schon längst in Regen und Wind abgeblättert ist: Ein tief gepflanzter Baum hält Stand.

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