Kirche neu erleben

Kirche neu erleben
Die katholische Gemeinde zieht ein positives Resümee aus dem zweiten
„Andersraum“. Auch die evangelische Kirche setzt auf Außergewöhnliches.

Ohne Bänke und in buntes Licht getaucht wird aus dem altehrwürdigen Kirchenschiff ein ganz anderer Raum, der neu gefüllt werden kann, mit Sport, Kultur, Menschen und einem anderen Zugang zu Gott. „Andersraum“ nennt sich das Projekt der Katholischen Kirchengemeinde St. Bonaventura und Heilig Kreuz, das zum zweiten Mal in der Kirche St. Bonaventura durchgeführt wurde.

Kirche muss umdenken
Den Abschluss von Andersraum bildete die Präsentation des Jugendprojekts „#5630“ am Freitagabend. Die Jugendlichen gaben einen Leckerbissen ihrer großen Show im Juni. Künstlerisch wirbelten sie durch das Kirchenschiff, tanzten inmitten der Menschentraube, die sich gebildet hatte, während Musik oder Worte den Raum erfüllten.

Gesang, Musik und sportliche Highlights: Ein wenig war die Darbietung eine Zusammenfassung der Angebote der vergangenen zwei Wochen, in denen etwa durch Parkour, Lesungen, Ballonkunst oder Ausstellungen die Kirche ganz neu wahrgenommen wurde. Das war das Ziel des Experiments. Das Fazit von Initiator Andy Dino Iussa, Engagementförderer, fällt positiv aus, obwohl es auch ein paar negative Rückmeldungen gegeben habe. Neues irritiere zunächst, räumt er ein. Manche, die eine eher konservative Sicht auf die Kirche haben, habe es vielleicht auch verletzt, dass sich etwa beim Zumba die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in knappen Outfits durch die Kirche bewegten, weil das nicht zur Kirche oder dem Glauben passe.

Doch die Freude, die die Menschen dabei versprüht haben, sei die Kritik wert. Die Ausstellung „Moderne Pietà“ etwa habe zum Verständnis anderer Kulturen und Religionen sowie dem Austausch beigetragen. Überlegungen, die Bänke dauerhaft aus dem Gebäude zu lassen, gebe es, sagt der Engagementförderer auf Nachfrage. „Sie sind nicht konstitutiv“, ergänzt er. Ob das Konzept auch auf die Kirche Heilig Kreuz in Lüttringhausen ausdehnbar sei? Darüber habe er sich noch keine Gedanken gemacht. Lennep diene als Experimentierraum. Letztlich müsse sich aber auch die katholische Kirche öffnen und neue Wege gehen, wenn sie überleben wolle. „Ich glaube, wenn die katholische Kirche so weitermacht, wie sie es seit Hunderten von Jahren macht, dann besteht sie nicht mehr lang. Die Gemeinde lebt von Menschen, und die versuchen wir, damit reinzubekommen“, erklärt Iussa.

Besucherin Heidi Rausch ist überzeugt, dass man durch Angebote wie „Andersraum“ auch andere Gruppen in die Kirche zieht. „Das bringt einfach Leben rein. Es ist so viel offener und eine Art Erweiterung. Ich finde das toll“, sagt sie. Jochen Peitz vom Projekt „#5630“ ist ebenfalls begeistert: „Die Idee ist super. Es gibt ohnehin zu wenig Veranstaltungsflächen in Remscheid.“ Auf diese Weise einen Ort neu bespielen zu können und vor allem die Jungen damit in Kontakt zu bringen, sei ideal.

Gerade das ist wichtig. Denn mit schwindenden Mitgliederzahlen hat nicht nur die katholische Gemeinde zu kämpfen. Auch die evangelische Kirche geht ungewöhnliche Wege, um Familien und Jugendliche in das Gemeindeleben einzubinden. Credo sei es, auf die Menschen zuzugehen, sagt Kristiane Voll, Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Lüttringhausen. Mit einem breit gefächerten Programm versuche man, das Bedürfnis und die Erwartungen der Menschen zu erfüllen. Dazu zählt etwa, Gottesdienste etwas später beginnen zu lassen oder Strukturen lockerer und offener zu gestalten, wie etwa beim „Nimm-2-Gottesdienst“, bei dem es einen Interviewpartner gibt.

Eine Aktion, wie sie die katholische Gemeinde durchgeführt habe, sei, wenn überhaupt, nur am Zweigstandort Goldenberg denkbar, da die Bänke in der Stadtkirche fest montiert sind. Pfarrerin Voll bezweifelt allerdings, dass es dort die gleiche Strahlkraft habe wie bei der zentralen Lage in Lennep. Außerdem brauche man auch genug engagierte Menschen zum Stemmen eines solchen Projektes. Deshalb versuche die Gemeinde, das Ganze mehr in den Alltag zu bringen. Die Flexibilität am Goldenberg werde bereits genutzt, der Raum auch mal nicht alltäglich gestaltet, merkt Voll an.

Bildquellen

  • Die Tänzerinnen von Verve beim Auftritt im Rahmen des Jugendprojekts #5630.: Foto: Mazzalupi

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