Zusammen Hand in Hand

Zusammen Hand in Hand

Auf die christlichen Kirchen kommen gravierende Veränderungen zu – auch in Remscheid. Darüber haben wir mit Pfarrerin Antje Menn, Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Lennep und Monsignore Thomas Kaster, katholischer Stadtdechant in Remscheid gesprochen.

Wir treffen die beiden höchsten Repräsentanten der Evangelischen und Katholischen Kirche in Remscheid zu einem Doppelinterview. Als Pfarrerin Antje Menn, Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Lennep, und Monsignore Thomas Kaster, Stadtdechant der Katholiken in Remscheid, gemeinsam auf dem Sofa im Gemeindezentrum St. Suitbertus Platz nehmen, ist die Stimmung gelöst. Hier verstehen sich zwei gut, dieser Eindruck entsteht schnell. So sprechen wir über Gott und die Welt, die Herausforderungen der Kirchen, über Frieden und Krieg, über Ökumene und natürlich über Weihnachten.

Frau Pfarrerin Menn, Monsignore Kaster, welche Gedanke kommen Ihnen spontan, wenn Sie an Weihnachten denken?

Antje Menn: Ich freue mich sehr auf Weihnachten – in jedem Jahr. Es ist ein Fest der Begegnung. Wir feiern, dass Gott in dem Kind in der Krippe in einem ärmlichen Stall selbst da ist und uns die Hand hinhältIch finde, das ist ein besonderer Moment. Ein Neuanfang mit uns Menschen von unten her. Wenn wir vom Frieden auf Erden hören, von dem die Engel in der Weihnachtsgeschichte singen, wird mancher damit vielleicht nichts anfangen können oder wollen. Aber gerade wo auch heute, Unfrieden ist oder an Demokratien gerütteltwird, kann aus Kleinem ein Neuanfang wachsen. Diese Hoffnung verbindet Christen, die überall auf der Welt Weihnachten feiern – auch in Kriegsgebieten.

Thomas Kaster: Durch die Geburt Christi haben wir eine neue Perspektive in dieser Welt. All unsere Belastungen und unser Versagen, nicht zuletzt das im Umgang mit der Schöpfung, können überwunden werden. Das beginnt tatsächlich im Kleinen, aus dem Großes entstehen kann.

Und doch ist Weihnachten heute vielfach nur noch „Bling, bling“ und Kommerz. Weihnachtsbäume werden schon am ersten Advent oder noch früher aufgestellt, irgendwie verschwimmen die Zeiten.

Thomas Kaster: Ja, es ist schon bedauerlich, dass vielfältige Traditionen, die wir in der Kirche haben, nicht mehr so wahrgenommen werden. Das fängt mit St. Martin und dem Fest der heiligen Elisabeth im November an und geht über den Advent, das Nikolausfest, das Fest der Heiligen Barbara hin zu Weihnachtsfest.

Antje Menn: Um so wichtiger, dass wir St. Martin feiern. In unseren Kitas zum Beispiel. Als Fest des Teilens.

Thomas Kaster: Das stimmt, aber trotzdem ist gesellschaftlich einiges verloren gegangen. Man muss auch mal die Dunkelheit wahrnehmen, sie ist Teil unserer Welt. Wenn wir dann über den Advent auf das Licht im hell erstrahlenden Weihnachtsbaum zugehen, wird das umso mehr deutlich.

Antje Menn: Und trotzdem glaube ich, dass auch hinter einer eher oberflächlichen Sicht auf Weihnachten eine Sehnsucht steckt. Nach Licht und Heilsein. Das Gespür, vor Gott darf ich so sein, wie ich bin, werde nicht nach meiner Leistung gemessen. Dieses Jahr bin ich an Heilig Abend im Festgottesdienst in der Lenneper Stadtkirche, vorher im Gottesdienst in der Justizvollzugsanstalt und am Abend mit meiner Familie bei der Feier im Gemeindehaus mit Alleinstehenden und anderen, die in Gemeinschaft feiern wollen. Da überall kommt man mit sehr unterschiedlichen Menschen zusammen.

Und Ihre Kinder machen das mit?

Antje Menn: Ja, tatsächlich. Sie kennen das von klein auf und freuen sich auf den Abend. Es geht um Zusammenhalt und um das Gefühl: Niemand ist alleine.

Sprechen wir mal über die Situation in Ihren Kirchen. Die Kirchenaustritte nehmen immer weiter zu, das führt zu Veränderungen, die Ihre Gemeindemitglieder spüren.

Antje Menn: Das ist so. Wir werden uns schmerzlich von Gebäuden trennen müssen, weil wir ihren Unterhalt nicht mehr bezahlen können. Das ist für manche sicherlich schwer. Doch ist unsere Botschaft und unser Tun nicht allein abhängig von Gebäuden. Wir wollen dorthin gehen, wo Menschen uns brauchen und wir werden mit Beratungsangeboten, Gottesdiensten und Seelsorge präsent bleiben. Wenn man das erklärt, findet man dafür auch Verständnis. Und ich bin überzeugt, dass gerade in einer Zeit, in der Krisen unsere Welt schütteln und Menschen nicht mehr aufeinander zugehen, die Stimme der Kirche neben der politischen wichtig ist.

Thomas Kaster: Für die Katholische Kirche in Remscheid gilt das auch. Wir haben in Remscheid heute noch sechs Kirchen. Alle werden wir auf lange Sicht nicht behalten können. Alleine die dringende Sanierung von St. Bonaventura in Lennep ist mit Kosten von mehreren Millionen Euro veranschlagt. Das können wir nur mit Unterstützung des Erzbistums angehen, aber trotzdem ist das eine gewaltige Herausforderung. Dann werden wir ab 2026 einer Budgetierung unterliegen – für Gebäude und Personal. Wir werden feststellen, dass mit diesem Etat nicht mehr alles möglich sein wird. Daher ist ja auch eine Fusion der Gemeinden in Lennep und Lüttringhausen mit denen in Alt-Remscheid zum 1. Januar 2027 angedacht. Damit werden sich die Strukturen folgerichtig ändern und es wird nur noch einen Kirchenvorstand geben. Wir müssen die Gemeinde als Ganzes sehen und gemeinsam überlegen, wie wir die Zukunft der katholischen Kirche in Remscheid gestalten.

Für das kirchliche Personal gilt dann dasselbe. Es ist nicht mehr alles an jedem Ort möglich, das wird ja heute schon sichtbar, zum Beispiel mit Blick auf die kirchlichen Nachrichten, die wir in unserer Zeitung veröffentlichen.

Antje Menn: Für den Kirchenkreis kann ich sagen, dass wir unsere Gemeinden in Region enger zusammenstrukturieren. Es wird in absehbarer Zeit auch Gemeindefusionen geben und die Zahl der Pfarrstellen wird sich bis zum Jahr 2030 im gesamten Kirchenkreis Lennep auf knapp die Hälfte, auf 19 reduzieren. Wir haben es mit weniger Kirchenmitgliedern wegens des demografischen Wandels und Austritten, mit fehlendem Nachwuchs und mit geringeren Einnahmen zu tun. Auf all das reagieren wir frühzeitig, vor allem, indem wir in Teams arbeiten, auch um unsere Kollegialität zu bewahren. Und wir stärken das Ehrenamt und investieren auch in neue Qualifikationsangebote, zum Beispiel in der Seelsorge. Menschen bringen sich gerne an unterschiedlichen Stellen ein, erst recht, wenn sie sich für diese Aufgaben qualifiziert fühlen.

Thomas Kaster: Auch wir müssen Strukturen schaffen, die nicht mehr nur an Personen hängen. Darin liegt aber auch eine Chance, Glaube vermittelt sich nicht nur durch Hauptamtliche. Es gibt ja nicht nur das Amtspriestertum, sondern auch das allgemeine Priestertum und damit viele Möglichkeiten, sich gestalterisch einzubringen. Es wird weitergehen, auch mit vielen, die sich ehrenamtlich engagieren. Das ist die Zukunft der Kirche, die sich wandeln muss und wird.

Antje Menn: Und unabhängig von den Gebäuden, müssen wir uns auch fragen, wie wir uns mit weniger Ressourcen inhaltlich gut aufstellen können. Doch auch das ist eine Chance, nochmal genauer hinzuschauen, worin unser Auftrag besteht.

Wäre bei diesen ganzen Gemeinsamenkeiten und ähnlichen Herausforderungen nicht noch mehr Ökumene angesagt?

Antje Menn: Antje Menn: Die Ökumene in Remscheid ist ein Geschenk. Wir gehen nicht zusammen, aber Hand in Hand. Und Ökumene ist wie eine Graswurzelbegegnung und eben nicht per Beschluss herzustellen. Sie muss wachsen und gelebt werden.

Thomas Kaster: Wir Christen machen in Deutschland nicht einmal mehr die Hälfte der Bevölkerung aus. Wenn wir sichtbar bleiben wollen, müssen wir uns gemeinsam sichtbar machen. Und ich stelle gerade bei den jungen Leuten fest, dass sie die Unterschiede überhaupt nicht mehr interessieren. Von Kirchenspaltung wissen sie nichts und wollen auch nichts wissen. Evangelische und Katholische Kirche haben viele Traditionen, die etwas Kostbares haben. Trotzdem würde ich mir wünschen, dass wir eine Form finden, wie wir zusammenarbeiten und teilen können.

Bei den Gebäuden könnte man doch einen Anfang machen.

Thomas Kaster: Da gibt es auch schon konkrete Ideen. Wenn wir St. Bonaventura sanieren, würden wir gerne für zwei Jahre die evangelische Stadtkirche in Lennep für unsere Gottesdienste nutzen. Für diese Idee gibt es bereits eine große Aufgeschlossenheit.

Antje Menn: Das wäre eine super Sache. Und wenn wir dann etwas zu sanieren haben, kommen wir gerne auf Gegenbesuch zu euch.

Das Gespräch führte Stefanie Bona.

Foto: LLA Verlag/ER

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