Sorge um lokalen Handel und Gastronomie

Sorge um lokalen Handel und Gastronomie
Vertreter örtlicher Handels- und Gastronomie-Verbände berichten über die Situation nach dem Lockdown. Die erhoffte Öffnung fängt die finanziellen Verluste nicht wie erwartet auf. Viele Betriebe könnten das Jahr nicht überleben. Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz appelliert an die Bürger, die lokalen Geschäfte zu unterstützen.

Einen Eindruck, wie die Innenstädte aussehen, wenn Geschäfte geschlossen sind, verschaffte uns seit Mitte März das in Europa aufkommende Coronavirus: Vorsorglich und zum Schutz aller mussten nicht lebensnotwendige Einzelhändler und Gastronomiebetriebe relativ spontan ihre Geschäfte schließen. Das Ergebnis: leer gefegte Einkaufsmeilen, triste und nahezu verwaiste Innenstädte. Ein Bild, das sich nach Corona wiederholen könnte, befürchten nun Einzelhändler und Gastronomen. Denn trotz Öffnung beklagen sie hohe Verluste. „Die Menschen haben Angst“, sagt etwa Gastronom Salvatore Lerose.

Bei ihm in seinem Café am Theodor-Heuss-Platz trafen sich vergangenen Freitag Vertreter von Einzelhandel, Gastronomie, der Stadtverwaltung und Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz, um unter der Moderation von Horst Kläuser über das Problem zu sprechen. Tatsächlich, berichteten die Anwesenden, hatten sie sich von der Öffnung ihrer Geschäfte wohl mehr erhofft. Ihnen war durchaus klar, dass es nicht auf Anhieb, und schon allein nicht wegen der strengen Regeln, wieder so sein würde wie vor Corona. Der vorgeschriebene Sicherheitsabstand zwischen den Tischen macht beispielsweise eine 100-prozentige Auslastung eines Restaurants, wie vor Corona, unmöglich.

Doch ihre aktuelle Situation bereitet ihnen allen Kopf- und Bauchschmerzen. „Gut 80 Prozent der Gastronomen beklagen nach der Öffnung Einbußen von rund 70 Prozent“, berichtet etwa der Lüttringhauser Markus Kärst, Inhaber des Hotel-Restaurants Kromberg und Vorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Remscheid. „Leider wird es von den Kunden noch nicht so angenommen, wie wir uns das erhofft hatten.“ Einige Kollegen, wie etwa das Restaurant Euler in Lennep, hätten nach dem Lockdown noch nicht wieder geöffnet. Andere Kollegen hätten in den ersten Wochen nach der Öffnung geäußert, dass sie lieber weiter „in einem künstlichen Koma geblieben wären, und erst im Mai 2021 wieder öffnen würden.“ Doch nicht nur die Gastronomie macht derzeit diese Erfahrung, auch der Einzelhandel merkt ein verändertes Kundenverhalten.

Die Lenneperin Bärbel Beck vom Modehaus Johann, etwa, hat die Erfahrung gemacht, dass Stammkunden vereinzelt zwar wiederkommen, aber eben nicht so wie vor der Pandemie. Viele Händler hätten große Sorgen, die Krise nicht zu überstehen, berichtet der Lenneper Klaus Kreutzer, Vorstandsmitglied im Handelsverband NRW. Ein Problem sieht Kreutzer in der undurchsichtigen Politik und dem nahezu täglichen Informationsfluss über neue Regelungen. „Der Verbraucher weiß ja mittlerweile nicht mehr, wo es langgeht.“ Große Kaufhäuser hätten bereits Insolvenz angemeldet. Modehäuser hätten aktuell das Problem, dass sie ihre vor Corona gekaufte Ware, etwa die Frühjahrs- und Sommerkollektionen, nicht mehr absetzen könnten. „Aktuell herrschen wahre Rabattschlachten, um zumindest einen Teil der Ware zu verkaufen.“

Dabei ergaben sich nicht alle Unternehmer mit der verordneten Schließung ihrem Schicksal. Viele, so wie die Lenneperin Bärbel Beck oder der Lüttringhauser Markus Kärst, wurden kreativ und boten ihre Dienstleistungen im neuen Format an. Beck verlagerte ihre Modeberatungen in digitale Kanäle, bot Beratungen über Videotelefonie an und versorgte ihre Kunden mit einem besonderen Bringservice. Markus Kärst stand nach dem Lockdown plötzlich nicht nur hinter seinem heimischen Herd, sondern in Zusammenarbeit mit dem Lenneper Gastronom Tobias Riemann auf dem Remscheider Wochenmarkt, um vakuumierte Speisen zu verkaufen. Der Verlust, der sich durch die plötzliche Schließung ergab, versuchten viele Unternehmer durch kreative Ideen aufzufangen. Mit der Öffnung der Geschäfte und Restaurants erhofften sich Einzelhändler und Gastronomen, trotz strenger Regeln, eine Entlastung, die nicht kam.

Die Stadt will den Einzelhändlern und Gastronomen entgegenkommen und beispielsweise auf Gebühren für Außengastronomie und Außenflächen verzichten. Doch der Appell, die lokalen Gastro-Betriebe und Einzelhändler zu unterstützen, richtet sich vor allem an die Kunden. Ihnen müsse bewusst sein, so der Tenor der Runde, dass, wenn nicht mehr lokal konsumiert würde, die Innenstädte bald langfristig wie während des Lockdowns aussehen werden – leer gefegt und verwaist.

Bildquellen

  • Ernste Gesichter Markus Kärst, Klaus Kreutzer, Bärbel Beck, Nelson Vlijt (Allee Center Manager) und Host Kläuser: Foto: Segovia

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