Quelle der Beunruhigung…
…dürfte diese Erinnerungstafel wohl selten werden, weil sie abseits der üblichen Fußgängerwege angebracht ist: an der Mauer der Justizvollzugsanstalt, nahe der Pforte in der Masurenstraße. Das Andenken gilt den 60 Häftlingen, die während der Endphase Hitler-Deutschlands dort abgeholt und am 13. April 1945 in der Wenzelnbergschlucht bei Langenfeld ermordet worden waren; Basis war die Ermächtigung Heinrich Himmlers zur polizeilichen Hinrichtung in Verbindung mit dem Befehl Walter Models, Zuchthausgefangene sicherheitspolizeilich zu überprüfen. Wenn der Anspruch des Philosophen Jürgen Habermas richtig ist, dass jede Begegnung der Heutigen mit den Folgen des nationalsozialistischen Terrorregimes eine gewisse Unruhe auslösen sollte – Haben denn die Voraussetzungen, die Auschwitz ermöglichten, schon zu existieren aufgehört? – dann drängt sich die Frage auf, ob es nicht wirkungsvoller wäre, diese Tafel, statt sie zu „verstecken“, an einer Stelle zu platzieren, wo sie einer größeren Zahl von Passanten in die Augen fiele.
Alljährlich im Frühjahr findet am Ort des grausigen Geschehens eine Gedenkstunde statt. Im Jahr 2018 beeindruckten die Schüler und Schülerinnen aus dem Leistungskurs Geschichte des Städtischen Gymnasiums Leichlingen durch ihren Versuch, den Versammelten das Unverstehbare der NS-Verbrechen durch eine poetisch musikalische Einfühlung in den letzten Gang der Opfer dieses Endphasenverbrechens – 17 Tage vor Hitlers Selbstmord, 24 Tage vor der Kapitulation – nahezubringen. Nachdem der LA Interesse an einer Veröffentlichung bekundet hatte, erklärte sich der Kurs bereit, die Texte zur Verfügung zu stellen. Nachfolgend exemplarisch die Sequenz 6 und exemplarisch die Lebensstationen eines der Hingerichteten; da die Heranwachsenden auf die Nennung ihres Nachnamens ganz überwiegend verzichten, belässt es auch der LA bei den Vornamen.
Cornelius: Sequenz 6 – Mein letzter
Der Weg rollt unter
meinen Füßen rauf und runter.
Blick gerichtet; wohin?
Der Mann neben mir
starrt apart während Pfad knarrt unterm Rad.
Der Mann ihm neben,
stammelt von Sein
und Lebensbann.
Lebensbann.
Und selbst wenn ich steh,
vor einer nassen, kalten,
grauen Wand. Lebensbann.
Und selbst wenn ich,
inmitten einer Menschenmasse,
gedrängt an die Wand der
kalten, nassen, grauen
Lebensgasse.
Lebensbann.
Der Weg nimmt sein´n Lauf,
Meine Bank schaukelt ab
und auf.
Berg herab,
Zeit wird knapp,
Sonnenscheins Stück erreicht,
doch erreicht nicht Leben;
Leben ist verbleicht.
Mein Leben wird bald
zu Ende sein.
Ich weiß das.
Du weißt das.
Er weiß das.
Alle wissen das.
Ich spüre einen Lauf
in meinem Nacken;
eine kalte graue Stimme,
die sagt, ich solle die Bank verlassen.
Ich tue, was die Stimme sagt.
Frag nicht, warum.
Ist klar.
Mein letzter Tag.
Meine letzte Stunde.
Der Weg geht unter
meinen Füßen rauf und runter.
Blick nach vorn gerichtet.
Lebensbann.
Ich wurde verurteilt.
Verurteilt hier zu sterben,
hier bei gottverdammten Bergen,
Ich wurde verurteilt hier zu sterben
Mein Leben endet in dies
Verderben.
Ich. Will. Nicht. Sterben.
Ich bin gleich an der Reihe.
Ich will noch nicht sterben.
Mein Traum,
Mein Kind,
Meine Frau,
Mein Sein.
Meine letzte Sekunde.
Für was?
Verona, Louis, Daniel: Hugo Breenkötter
Hugo Breenkötter wurde am 16.04.1902 in Barmen geboren und hatte 4 Kinder mit seiner Frau Grete. Er verdiente sein Geld zunächst als Hausierer, später als Hilfsarbeiter und aufgrund seiner Arbeitslosigkeit musste Breenkötter beim Bau des Langerfelder Flughafens mithelfen.
Wegen seiner politischen Einstellung wurde er nach der Machtübernahme der Nazis in Schutzhaft gehalten. Nach seiner Freilassung verteilte er weiterhin Flugblätter und wurde bei den Massenverhaftungen am 26.02.1935 von der Gestapo verhaftet und darauffolgend am 15. Februar zu vier Jahren Zuchthaus wegen Hochverrats verurteilt. Nach seiner Entlassung 1939 wurde Breenkötter am 23.02.1944 erneut wegen Beteiligung am kommunistischen Widerstand festgenommen und in einem Sammeltransport nach Wuppertal gebracht. Er starb mit fast 43 Jahren, als Gegner des NS-Regimes.