Britisches Vokaloktett „Voces 8“: Perfektion des Gesangs
Wenn man sich mit Kennern der Gesangsszene unterhält und fachsimpelt, ist eine Meinung nicht diskutabel: Das englische Gesangsoktett „Voces 8“ gehört zum Besten, was die Vokalmusik zur Zeit zu bieten hat. Nicht wenige behaupten gar, die drei Sängerinnen und fünf Sänger wären das beste Gesangsensemble der Welt. Dass diese Meinung nicht untertrieben ist, können rund 300 Besucher des Konzertes der Vokalgruppe in der evangelischen Stadtkirche zu Lennep bestätigen.
Singen mit Freude
Die Musik ist es gar nicht, die so atemberaubend wäre. Vieles davon hat man bereits von anderen Ensembles gehört. Aber (und das ist nur EIN Beispiel): Aus einem gefühligen Popsong wie Simon and Garfunkels „The Sound Of Silence“ ein über fünfminütiges Wunder der modernen Gesangskunst zu machen, erfordert viel mehr als die Kenntnis der Noten. Da kommt kein Einsatz zu spät, da wird vom Tenor eine gesungene Silbe nicht anders betont als vom Bass, da enden alle zur gleichen Millisekunde. Die für Sänger so schwierigen Buchstaben wie S oder K oder P – dass dies für „Voces 8“ kein Problem ist, wäre untertrieben. Sie haben Freude daran.
So wie am Singen überhaupt. „Sing Joyfully“ heißt nicht ohne Grund ihr aktuelles Programm – und das erste Stück des Abends. Direkt gefolgt von Mendelssohn und Rachmaninoff. Es ist mehr als still in der Lenneper Stadtkirche, wenn die Sängerinnen und Sänger das Volumen ihrer Stimmen bändigen und von beinahe unhörbar bis zum voluminösen lautstarken Gesang eine dynamische Sequenz gestalten. Späterhin beweisen Voces 8 auch noch, dass sie mit der Musik von Orlando di Lasso und Palestrina mehr als nur vertraut sind. Dass all dies unglaublich schwer zu singen ist – zumal in der angebotenen Qualität – betone ich hier und jetzt zum letzten Mal.
Zur Auflockerung gibt es Pop, Brasilianisches, englische Liedkultur – und Jazz, letzteres in Gestalt von Kompositionen, die dezent swingen und erst durch ein erstklassiges Arrangement und die hohe Gesangskunst des Oktetts besonders werden (Nat King Cole / Duke Ellington). Antonio Carlos Jobims Stück „One Note Samba“ wird von allerhand „Air-Percussion“ begleitet. Andere spielen Luftgitarre, „Voces 8“ spielen Luft-Schlaginstrumente und machen dazu die entsprechenden Geräusche. Besonders beeindruckend sind die drei weiblichen Stimmen: Wie die Sopranistinnen Andrea Haines und Eleonore Cockerham zusammen mit der Altistin Kate Jeffries-Harris alleine den Background von „Sound Of Silence“ singen, ist ein musikalisches Erlebnis ersten Ranges. Die Klarheit und die Strahlkraft des Soprans besonders von Haines ist überwältigend.
Das alles ist so kurzweilig wie passend. Selbst die irische Weise „Danny Boy“ (mehr als sentimental) fügt sich ins Gesamtschema, als ob das selbstverständlich wäre. Jeder der acht darf mindestens eine Ansage machen, Tenor Sam Dressel erledigt die seine unter großer Begeisterung des Publikums in deutsch. Der Countertenor und Artistic Director des Ensembles, Barnaby Smith, nimmt sich wohltuend zurück, lässt die anderen sieben auch mal ein Stück alleine singen und genießt still lächelnd die Güte seiner Kolleginnen und Kollegen. Die völlig zu Recht ausnahmslos begeisterten Zuhörer bekamen zwei Zugaben. Und nach dem Konzert stehen alle Sängerinnen und Sänger für Autogramme und Gespräche zur Verfügung. Auch das ist keine Selbstverständlichkeit.
Man soll ja mit der Vokabel „perfekt“ sehr vorsichtig sein, aber dieses Konzert von „Voces 8“ war sehr, sehr nahe dran. Der Dank geht an Johannes Geßner, kreiskirchlicher Kantor an der Stadtkirche in Lennep. Ein Ensemble dieser Güte erlebt man wahrlich nicht oft.