Röntgen-Gymnasium: „Nieder mit Hitler!“

Röntgen-Gymnasium: „Nieder mit Hitler!“

Comic statt Textbuch – Zeitzeuge statt Lehrer: Schüler des Röntgen-Gymnasiums erlebten in der vergangenen Woche einen etwas anderen Geschichtsunterricht. Jochen Voit und Hamed Eshrat, Autor und Zeichner der Graphic Novel „Nieder mit Hitler“, waren zu Gast, um ihr jüngstes Werk über die Geschichte fünf junger NS-Widerstandskämpfer aus Erfurt zu erzählen. Mit dabei: Gerd Laue, ein ehemaliger Mitschüler der Protagonisten.

Nieder mit der Diktatur

Karl Metzner, Hauptfigur der Geschichte, träumte als Jugendlicher davon, ein berühmter Radfahrer zu werden. Leider kamen ihm das Dritte Reich und Adolf Hitler in die Quere: Als der Bruder seines Mitschülers Jochen Bock in der Schlacht von Stalingrad nämlich fiel, beschlossen die beiden den Diktator zu stürzen. Es war im Sommer 1943 – und die zwei jungen Handelsschüler gerade erst 15 Jahre alt. Gemeinsam mit drei weiteren Mitschülern begannen sie Flugblätter zu verteilen. Die Jungs wurden kurz danach verraten und landeten hinter Gittern – niemand von ihnen wurde aber wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Doch Metzner blieb auch nach dem Krieg unter Beobachtung der Stasi. Als Pfarrer unterstützte er die friedliche Freiheitsbewegung der DDR. 2018 verstarb er, kurz nach Beendigung des Comics, im Alter von 90 Jahren.

Voit und Eshrat lasen vor, während auf einer großen Leinwand die Bilder des Comics erschienen. Im Hintergrund ertönten verschiedene Geräuschkulissen, die die Lesung letztendlich in ein bebildertes Hörspiel verwandelten. Die Schüler lauschten aufmerksam. Zwei Jahre hatten der Nürnberger Historiker und der Berliner Künstler an der Graphic Novel gearbeitet, in enger Absprache mit Metzner selbst.

Weil die Jungs um Jochen Bock und Karl Metzner über Radio illegale ausländische Sendungen hörten, bemerkten sie schnell, dass die Lügner auf ihrer Seite der Grenze waren: „Wir haben damals mit 15 Jahren schon Dinge erkannt, die so manche Erwachsene selbst nach 1945 nicht gewusst haben“, sagte Gerd Laue nach der Comic-Lesung. Der Senior gehörte der Widerstandsgruppe aktiv zwar nicht an, kannte aber ihre Mitglieder sehr gut. Es waren Mitschüler. „Karl war mein direkter Banknachbar.“ Als Zeitzeuge berichtete er den Schülern von seinen Erfahrungen und vom Tag der Befreiung, als die amerikanischen Panzer in Erfurt einfuhren: „Wir hatten uns alle in den Kellern versteckt und trauten uns bis zur letzten Sekunde nicht, die weißen Fahnen zu hissen, aus Angst, dass die SS uns erschießen würde“, erzählte Laue.

Mit Metzner hatte Laue lange Zeit keinen Kontakt mehr. „Nach dem Krieg verstreuten wir uns in alle Himmelsrichtungen.“ Laue etwa kam ins Bergische. In den 70er Jahren nahm Laue bei einem Heimatbesuch wieder Kontakt auf. „Ich besuchte eine seiner Messen, ein sehr emotionaler Moment für mich.“ Metzner war nach der Haft von der Wehrmacht als Soldat eingezogen worden, geriet in französische Gefangenschaft und beschloss damals Pfarrer zu werden.

Eine spannende Geschichte, auf die der Historiker und Leiter der Erfurter Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße, Jochen Voit, aufmerksam wurde, als Metzner die Einrichtung besuchte, die früher das Untersuchungsgefängnis war, in dem auch er als junger Mann eingesperrt wurde. „Mit dem Comic wollen wir Jugendliche anregen, vor der eigenen Haustür nach der Geschichte zu forschen“, sagte Voit.

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