Lüttringhauser Anzeiger

Gemeinsam Zukunft gestalten

Gerade ist eine israelische Schülergruppe am Leibniz-Gymnasium zu Gast. Mit ihren Gastgebern besuchten die Jugendlichen die Gedenk- und Bildungsstätte Pferdestall e.V.

VON STEFANIE BONA

Als Vertreterin der jungen Generation ist Libi überzeugt: „Es ist sehr wichtig, die Erinnerung aufrechtzuerhalten, aber genauso, in die Zukunft zu schauen.“ Die 16-Jährige aus Tel Aviv ist Teil einer israelischen Schülergruppe, die in diesen Tagen das Leibniz-Gymnasium in Lüttringhausen besucht. Untergebracht sind die Jugendlichen bei den Familien der deutschen Schülerinnen und Schüler, die sie herzlich willkommen geheißen haben. „Alle sind so freundlich zu uns und wir sammeln hier ganz neue Erfahrungen“, sagt Libi und merkt schmunzelnd an, dass sie zu Hause kalte Temperaturen und Glatteis nicht kenne. Auch geschmückte Christbäume seien in ihrer Heimat zwar hier und da bei christlichen Familien zu finden, aber dann doch eher eine Seltenheit.

In Erinnerung an alle Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurde die Gedenk- und Bildungsstätte „Pferdestall“ e.V. eingerichtet. LLA-Foto: bona

Das umfangreiche Rahmenprogramm führte Gastgeber und Gäste unter anderem in die Gedenk- und Bildungsstätte Pferdestall e.V. auf dem Gelände der Polizeiinspektion Remscheid. Hier kam der traurige Teil der deutsch-jüdischen Vergangenheit den jungen Leuten besonders nah, diente der triste und im Winter bitter-kalte Stall den Nazi-Schergen doch als Haftraum, von wo Juden, Sinti und Roma sowie weitere Verfolgte des NS-Regimes in Vernichtungslager deportiert wurden. Hans-Heinz Schumacher, Vorsitzender des Vereins Gedenk- und Bildungsstätte Pferdestall, berichtete von der Entstehungsgeschichte der Einrichtung, die Schülerinnen und Schüler des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums (heute Emma-Herwegh-Gymnasium) initiiert, vorangetrieben und auch konzeptionell begleitet haben. Als damaliger Schulleiter des EMA griff Schumacher die Idee auf, er und seine Mitstreiter fanden Unterstützung in der Politik vor Ort und am 9. November 2017 – am Jahrestag der Reichspogromnacht von 1938 – fand die erste Ausstellung dort statt. Konzentriert und beeindruckt verfolgten die Jugendlichen auch die Geschichte um Siegmund  Freund, der als jüdischer Schüler das Remscheider Gymnasium verlassen musste. „Danach gab es keine jüdischen Schüler mehr an regulären Schulen“, zeigte Schumacher die verhängnisvolle Entwicklung nach Machtergreifung der Nazis auf. Seinen zweiten Geburtstag, so sagte er einmal selbst, feierte der in diesem Jahr im Alter von 102 Jahren verstorbene Siegmund Freund am 5. Mai 1945 mit der Befreiung aus dem Konzentrationslager Ausschwitz. Im Jahr 2006 erhielt er während der Abiturfeier am EMA ein Reifezeugnis ehrenhalber. „Damit bekam er den Abschluss, der ihm verwehrt wurde und den er verdient hatte“, erinnerte der Referent an eine bewegende Feierstunde.

Hans-Heinz Schumacher erläuterte den Jugendlichen die Entstehungsgeschichte der Gedenkstätte „Pferdestall“. LLA-Foto: bona

Im „Pferdestall“, führte Schumacher weiter aus, sei nicht viel verändert worden, um die Erinnerung an alle Opfer der Nazi-Herrschaft lebendig zu halten. So sind an den Wänden hinter der aktuellen Ausstellung noch die eisernen Halterungen zu sehen, an denen die Polizeipferde festgehalten wurden. Libi und ihr ebenfalls 16-jähriger Mitschüler Roy blicken indes in die Zukunft. „Wir behandeln den Holocaust natürlich im Geschichtsunterricht und ich finde es wichtig, daran festzuhalten. Aber wir wissen auch, dass die Menschen in Deutschland heute nicht dieselben sind wie vor mehr als 70 Jahren“, sagte Roy. Im Februar werden die Leibniz-Schülerinnen und Schüler aus Lüttringhausen zum Gegenbesuch nach Israel reisen. Dann werden sie zu Gästen der israelischen Familien. Bis dahin wollen die neuen Freundinnen und Freunde über die sozialen Netzwerke, telefonisch und per E-Mail Kontakt halten. „Und danach hoffentlich auch noch“, sagt Libi lächelnd.

Roy und Libi (r.) fühlen sich von ihren Gastgebern sehr willkommen geheißen. An den neuen Freundschaften wollen die Jugendlichen aus Israel festhalten. LLA-Foto: bona

Gut zu wissen

Erfolgreich umgesetzt wurde der neue Schulaustausch mit der EasternMediterranean International School (EMIS) aus Hakfar Hayarokdurch durch Ingo André Mess, Lehrer für Deutsch und Geschichte am Leibniz-Gymnasium. Das Thema des Schulaustausches lautet „The joint history of german and jewish life – making future together“- „Die gemeinsame Geschichte deutschen und jüdischen Lebens – gemeinsam Zukunft gestalten“. Am Donnerstag treten die Jugendlichen die Rückreise nach Israel an.

Bildquellen

  • Leibniz Israel Austausch 5: LLA Foto sbo